Willst Du mich etwa projizieren?

Blog über Gott und die Welt

K ennt ihr das auch? Vor allem in spi­ri­tu­el­len Krei­sen haben die Wor­te Pro­jek­ti­on und Reso­nanz einen ganz hohen Stel­len­wert. Sie wer­den von man­chen spi­ri­tu­el­len Aspi­ran­ten infla­tio­när benutzt und die­nen ger­ne mal dazu, eige­ne unbe­que­me Wahr­hei­ten auf ande­re abzuwälzen.

Mir jeden­falls geben die­se Begrif­fe seit jeher gro­ße Rät­sel auf.

Ange­nom­men, es ver­letzt Dich jemand mit einer der gefähr­lichs­ten Waf­fen der Welt. Sei­ner spit­zen Zun­ge. Er oder sie feu­ert ein Arse­nal an zer­schmet­tern­den Wor­ten auf Dich ab oder setzt einen viel­leicht noch wirk­sa­me­ren geziel­ten Tref­fer mit­ten in Dein Herz. Du reagierst dar­auf und  feu­erst etwas eben­so Ver­let­zen­des zurück. Dar­auf­hin fragt Dich Dein Gegen­über mit ernst­haf­tem Erstaunen:

„Wie­so regst Du Dich so auf? Ich habe gar nichts Böses gesagt und war auch nicht ver­let­zend. Das bil­dest Du dir nur ein.

blume_3 Vor­sicht, Spi­rifal­le!
Sturm im Wasserglas
Pho­to­gra­phed and com­po­sed by BERRENMARKE
Sturm im Wasserglas
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Du bist aber nicht auf den Mund gefal­len und sagst: „Nein, ich pro­ji­zie­re nicht. Mei­ne Ant­wort ist nur eine Reso­nanz auf Dein ver­let­zen­des Ver­hal­ten. Du hast doch angefangen.“

Im Schlimms­ten Fall schau­kelt sich das Gan­ze dann immer wei­ter hoch. Und schon haben wir ein läh­men­des Schach­matt der Köni­ge spi­ri­tu­el­ler Wortkeulen.

Pro­jek­ti­on und Reso­nanz ste­hen sich in die­sen tra­gi­schen Fall mit glü­hen­den Augen gegen­über und haben sich nichts mehr zu sagen.

Die ande­re ungu­te Vari­an­te ist, dass einer der Bei­den von dem ver­ba­len Angriff so schwer getrof­fen wur­de, dass er ver­letzt und an sich zwei­felnd inner­lich zu Boden geht.

Bei­de Vari­an­ten sind furcht­bar trau­rig. So wich­ti­ge und wahr­haf­ti­ge Begrif­fe wer­den tag­täg­lich in absur­der Wei­se miss­braucht und mit Füßen getre­ten. Wenn ich es könn­te, wür­de ich sie aus dem all­ge­mei­nen spi­ri­tu­el­len Wort­schatz strei­chen las­sen, sie in eine gol­de­ne Tru­he legen und nur her­aus­ho­len, wenn sie wirk­lich als das erkannt wer­den, was sie sind:

blume_3 Pro­jek­ti­on und Reso­nanz sind wert­vol­le Werk­zeu­ge, um zu ver­ste­hen, was zwi­schen uns, der sicht­ba­ren Welt und der unsicht­bar form­bil­den­den Kraft tag­täg­lich geschieht.
Manch­mal kann ich es für einen win­zi­gen Moment sogar begrei­fen. Dann ver­ste­he ich, dass alles was mir im Leben begeg­net, tat­säch­li­che eine Pro­jek­ti­on mei­nes See­len­le­bens auf die Büh­ne der Welt ist; und dass eine Wort­keu­le, die mich per­sön­lich beson­ders trifft, für einen ande­ren nicht mehr als ein ner­vi­ges klei­ner Stup­ser­chen sein kann.

Zum Bei­spiel bin ich ein ech­ter Kon­troll­seis­mo­graph. Ich wuchs mit einem Vater auf, der jedes Wort, das ich von mir gab, kon­trol­lier­te und kor­ri­gier­te. Kei­ner mei­ner Sät­ze ent­ging sei­ner Beur­tei­lung. Oder er stell­te sich mit einer Stopp­uhr hin­ter mich, um laut die Sekun­den abzu­zäh­len, die mir noch blie­ben, bis ich im Bett sein musste.

Wenn mich also irgend­je­mand ver­sucht zu kon­trol­lie­ren, gera­ten alle mei­ne Sys­te­me in Alarmbereitschaft.

Ande­re hin­ge­gen juckt die­sel­be Situa­ti­on viel­leicht nur wenig. Sie kön­nen es ein­fach abglei­ten las­sen. Bis ich gelernt habe, ein­zu­schät­zen, wann mei­ne eige­nen Reak­ti­ons­mus­ter ange­bracht sind und wann nicht, sind Jahr­zehn­te ver­gan­gen. Davor hat­te ich manch­mal die aggres­si­ve Reak­ti­ons­va­ri­an­te gewählt, meis­tens aber  die des ver­letz­ten Rück­zugs. Ich saß also in mei­nem inne­ren Gefäng­nis und grü­bel­te dar­über nach, was ich schon wie­der falsch gemacht hatte.

Und jetzt? Was tue ich jetzt? Ich ver­su­che mit mehr oder weni­ger gro­ßem Erfolg eine drit­te Vari­an­te aus­zu­pro­bie­ren: Näm­lich die, „Aua“ zu sagen, wenn einem jemand auf den Fuß tritt, aber nicht zurück zu treten.

Die ganz edle Vari­an­te, die Jesus ange­wandt hat, indem er von dem Schlag ins Gesicht voll­kom­men unbe­rührt blieb und auch noch die ande­re Wan­ge hin­hielt, um sein Gegen­über von sei­ner Wut und sei­nem Schmerz zu befrei­en, die ist mir momen­tan noch viel zu hoch. Aber man soll­te sich ja Zie­le set­zen. Je höher, des­to bes­ser. Ich übe weiter …

blume_3 Viel Erfolg damit. Euch und mir!